Jetzt bin ich schon wieder fast 4 Wochen in Montreal … und habe 3 davon gearbeitet.
Die Zeit rauscht nur so an mir vorbei und ich habe von den mir gegebenen Möglichkeiten der Stadt nur einen Bruchteil genutzt. Aber irgendwie ist die Zeit dann auch der limitierende Faktor.
Schließlich hat der Tag nur 24 Stunden.
Montreal ist aber wirklich nett - also die Stadt als ganzes und die Menschen natürlich im Besondern.
Neulich bin ich zur Bushaltestelle gerannt, weil ich den Bus auf der Strasse schon habe kommen sehen, aber es war trotz allem relativ unwahrscheinlich, dass ich den Bus noch erwischen müßte. Was macht der Bus bzw. die Busfahrerin? Sie hält? Mitten auf der Strasse, 200 m von der Bushaltestelle entfernt … für mich. Wow, das ist echt Fahrgastfreundlichkeit.
In Deutschland rauscht der Bus oft weg, wenn man 10 Sekunden zu spät ist oder der Bus an einer roten Ampel steht und rein theoretisch noch Leute aufnehmen könnte. Das ist in Montreal anders. Montreal scheint die Menschen generell ein bißchen besser zu behandeln.
Deshalb ist Montreal wohl auch unter den Top 10 der nordamerikanischen Städte mit viel Potential für industrielle Investionen. Großindustrie gibt es hier selbst nämlich relativ wenig, aber die Leute sind gut ausgebildet - zumeist sogar perfekt zweisprachig und die Mieten sind teilweise superbillig. Gleichzeitig ist der Standort in idealerweise zwischen Europa und der amerikanischen Westküste gelegen, so dass man mit beiden Seiten gleichzeitig kommunizieren kann. Der Zeitunterschied nach Kalifornien sind z.B. nur 3 Stunden, nach Berlin auch nur 6. Gleiches gilt dementsprechend natürlich für die Reisezeiten.
Gleichzeitig gibt es in Montreal aber ein kanadisches (d.h. an europäische Verhältnisse angelehntes) Sozialsystem mit Krankenversicherung für alle etc., so dass man hier wirklich für einen Appel und ein Ei überleben kann und dabei nicht einmal schlecht wohnt, weil einem - wie bereits erwähnt - die meisten kulturellen Genüsse AUCH kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Natürlich gibt es auch alle teuren Dinge der Welt zu kaufen, wenn man denn will, aber insofern sind die Montrealer wirklich gleicher, obwohl sie sehr unterschiedlich sind.
Ich weiß, in Deutschland bekommt ein Sozialhilfeempfänger auch seinen Computer, seine Waschmaschine mit Trockner und seine sonstigen Dinge bezahlt, wenn er sie beantragt, aber in Montreal erhält man die Dinge dann eben gebraucht - in guten Zustand - und zahlt sie selbst von seinem Mindestlohn.
Natürlich verzerre ich hier das Bild wieder durch meine persönliche, unausgegorene Sicht, aber ich denke, das kanadische System hat durchaus Vorteile.
Man sammelt nicht soviel Krams an, sondern gibt das, was man nicht braucht, schnell weiter an jemand, der es braucht.
Als Deutscher hat man da eher Bedenken, dass man auch soviel Geld rausbekommt, wie die Dinge wirklich wert sind - ehe man etwas einfach weiterverschenkt. Ebay und Co. garantierem einem oft bessere Preise. Wenn man den erwarteten (gerechten) Preis nicht bekommt, sammelt man die Dinge eben endlos, bis sie nichts mehr wert sind (und die Entsorgung mehr kostet als der Gegenstand).
So langsam werde ich eben Montreal-Fan, obwohl es entsprechend natürlich auch genug Nachteile gibt, die mich zur Zeit allerdings weniger stören - also bis auf den ständigen Regen natürlich. Man verspricht mir Besserung für nächste Woche.
Liebe Grüße an den Rest der Welt,
Eure Alex